USA // wisconsin // black river falls - coming home

die zukunft ist ungewiß und preßt sich ganz allmählich durch das nadelöhr der gegenwart. sie braucht da eine weile für. wenn man dazu ein idyllisches plätzchen irgendwo im mittleren westen oben in wiskonsin findet, wo dir friedliche stille nur hin und wieder durch das entfernte knallen einer automatischen waffe unterbrochen wird, weil der nachbar 20 meilen weiter nach dem dritten feierabendbier auf die kürbisse im garten ballert, dann kann sich das sehr angenehm gestalten.

nach unserem kulturell orientierten abstecher nach detroit haben wir uns alle mühe gegeben, chicago nur am rande zu kratzen. die nacht im motel war in etwa so sexy wie ein steven king roman, aber am nächsten morgen hatten alle den kopf noch da, wo er hingehört. von michigan führte unser weg also ein kurzes stück durch ohio, dann indiana, illinois und schließlich wisconsin, grob gesprochen um den lake michigan herum, hoch nach nord-westen. und da saßen wir dann, mitten im nirgendwo, mit all diesen milliarden von maiskolben, auf einer winzigen farm bei taylor, so einem winzigen rattennest mit knappen 500 einwohnern.

an diesen ort führte uns freilich eine ganz besondere mission. mein geschätzter herr mitverwohner war hier einst zu gast. vor fast 20 jahren als gastschüler für ein ganzes jahr. der plan war also ein verspätetes wiedersehen - und dafür wurde es sehnlichst zeit. hier also die geschichte zu diesem wochenende in wisconsin:




ein kurzer Besuch auf einer kleinen Farm in Wisconsin

Ein fester Bestandteil unserer Reiseplanung war ein Besuch in Wisconsin. Dazu ein kleiner Exkurs: Zwischen August 1992 und Juni 1993 verbrachte ich ein Jahr als Austauschschüler in den USA, und das - der Sicherheit halber - im mittleren Westen. Meine Mutter wünschte das so. Konnte ja auch keiner ahnen, dass ich in das langweiligste Kaff dieser Welt reisen würde: Taylor, Wisconsin. Zu dieser Zeit ziemlich genau 419 Leute groß (plus einem Austauschschüler!) und sehr offensichtlich der Landwirtschaft verschrieben. Definitiv mehr Kühe hier als Menschen! Aber, und das ist sehr wichtig zu erwähnen, ich wohnte und lebte bei einer sehr offenen und ausgesprochen freundlichen Familie. Nicht wirklich reich, aber reich an zu teilender Liebe. Sie nahmen mich auf und behandelten mich wie ihren eigenen Sohn. Ein Jahr zwischen HighSchool und Farmleben. Eine sehr prägende Zeit wie ich finde. Nun, als klarer wurde, dass wir drei in die USA reisen würden, stand für mich genau eines Felsenfest: ein Besuch auf eben dieser kleinen Farm bei diesen rührenden Menschen, die mich ein ganzes Jahr lang aufgenommen haben und mich erzogen und auch meine Launen und Macken ertragen haben (mussten).



Am Donnerstag war es dann so weit. Die "eiserne Lady" wurde programmiert, uns nach Taylor zu führen. Ich hatte irgendwann vor einiger Zeit schonmal "zu Hause" angerufen und angekündigt dass wir evtl im Sommer mal vorbeikommen würden. Der nächste, entsprechende Anruf erfolgte über unser neu erstandendenes USA Handy mit der Information, dass es doch zu unserem Besuch kommen würde und das dieser in genau 6 Stunden beginnen würde. Es gibt nicht viele Menschen, bei denen ich mich das trauen würde, aber der Tibbitts-clan gehört dazu. Die Reaktion war wie erwartet: "We´re glad to see you and we´re happy to get to know your friends! Max, you know, you´re always welcome." Die letzte Stunde im Auto war für Rini und Felix sicherlich nicht einfach. Ich bestand - selbstverständlich - darauf zu fahren und den Wagen selbst auf den Hof zu lenken. Ich gebe zu: ich war "angespannt". Den Tränen nahe die Auffahrt hoch zu fahren und zu sehen dass vieles noch genau so war wie ich es vor (immerhin!!!) 18 Jahren verlassen hatte... Gänsehautgefühl!



Zu sehen dass sowohl Janice, als auch Bill (die Eltern) offensichtlich kaum gealtert sind und sich wirklich und ehrlich gefreut haben mich und Rini und Felix zu sehen - Wow! Natürlich wurden wir eingeladen auf der kleinen Farm zu bleiben und selbst mein damaliges Zimmer stand bereit. Den Abend verbrachten wir auf der Veranda (gab es damals noch nicht) redend, schwatzend und sehr viel lachend. Irgendwie war es für mich wie nach Hause zu kommen. Und auch Rini und Felix hatten offensichtlich ihren Spaß. Der kommende Tag, Freitag, begann mit einem Besuch in meiner damaligen HighSchool. Eigentlich eher mit dem Besuch der neu gebauten Blair-Taylor HighSchool. Was für ein Prunkbau! RESPEKT! Da stecken locker mehrere zig Millionen Dollar drin! Dann weiter zur alten HighSchool. Dort ging dann mein Wechselbad der Gefühle fröhlich weiter und Erinnerungen kamen hoch an Dinge, die ich längst vergessen hatte. Ein bisschen Shopping hier, ein wenig Schnuseln da und schon war es Nachmittag.



Dulcie und Jody (die Töchter der Familie, meinerzeit schon knapp aus dem Hause entflohen) kamen samt jeder Menge eigener Kinder extra aus Madison, WI hoch nach Taylor - immerhin 3 Stunden Autofahrt - nur um uns zu besuchen und die Gelegenheit zu nutzen, mich auch mal wieder zu sehen. Guess what? Gänsehaut Klappe die 100.!



In Black River Falls, welches die nächstgrößere Stadt zu sein vorgibt, fand an diesem Wochenende eine Art Stadtfest nebst Viehmarkt statt. Yep, Ladies and Gentlemen: die Masurenburg besuchte samt Tibbitts-clan ein amtliches Rodeo! Herrlich! Und so sinnlos... Talking Sinnlos: der Samstagabend wurde gleich noch viel sinnloser zelebriert. Aber dazu gleich mehr. Nach dem durchaus aufregenden Event des Rodeos und einiger weniger Kinderrunden auf diversen Karrussells endete auch dieser Abend auf der kleinen Veranda auf der kleinen Farm. Unglaublich idyllisch! Den Samstag verbrachten wir alle meistenteils im Schatten oder im Haus um der fast schon unerträglichen Hitze zu entgehen.



Jody und Dulcie verließen samt Kindern die kleine Farm am frühen Nachmittag und der Masurenburg blieb die Aussicht auf ein großartig sinnloses Event in Black River Falls. Es war Zeit Rini und Felix in die Geheimnisse des Tractor Pulls einzuweihen! Ach was ist das doch für ein großartiger Sport! Ein übelst aufgemotzter und hochgetunter Traktor oder auch ein entsprechender Pick Up Truck versucht auf einer Sandbahn ein schwerer werdendes Gewicht auf Zeit vorwärts zu ziehen. Es spielt überhaupt gar keine Rolle, wieviel Krach oder Dreck das Gefährt macht (und glaubt mir: von beidem wurde reichlich und noch mehr geboten!!!). Es geht nur um den Spaß dabei. Als das Abgas des ersten Traktors die Sonne verdunkelte, blickte ich in zwei durchaus verwirrte Gesichter. Ja, Tractor Pull ist aus europäischer Sicht sehr schwer nachzuvollziehen (kein Wortspiel!!!). Das Ganze ging leider - für unseren Geschmack - ein wenig zu lange, da 2 komplette Läufe immerhin 4 Stunden brauchten und unsere Trommelfelle schlicht rebellierten. Schalldämpfer kosten eben nur Leistung und erhöhen das Gewicht! Dieser Abend endete nur kurz auf der Veranda. Wir waren müde, schmutzig und taub.



Sonntag wurde darauf verwendet, um ein wenig zu shoppen und Rini nun endlich mal in eine entsprechende Mall zu bringen. Diese Gelegenheit nutzten dann Felix und ich auch sogleich, um uns mit ein paar neuen Klamotten einzudecken. Und dann: ab auf die Farm zu unserer liebgewonnenen Veranda. Dass die Zukunft ungewiss ist und sich die Zeit durch das Nadelöhr der Gegenwart presst, wisst ihr ja nun inzwischen schon. Bleibt mir nur zu sagen, dass die Zeit genau das getan hat (ja, sie hat sich die Weile dafür genommen) und so hat unser Besuch in Taylor, Wisconsin auch wieder ein Ende gefunden. Eines mit einer Träne im einen Auge und im anderen ein Lächeln. Denn in diesem Fall ist die Zukunft insofern gewiss, als das ich definitiv wieder "nach Hause" kommen werde. Dieses mal dauert es auch keine 18 Jahre! Danke für Eure Gastfreundschaft, ihr Tibbitts in Wisconsin. Euer MAX

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