USA // as flat as a pancake - quer durch den mittleren westen
die zukunft ist recht ungewiß und preßt sich ganz allmählich durch das nadelöhr der gegenwart. sie braucht da eine weile für. verbindet man mit dem verstreichen der zeit gleichzeitig die mühe, dabei möglichst viel strecke hinter sich zu bringen, gewinnt sie hingegen ganz enorm an kurzweile und das wars dann erst mal mit der beschaulichkeit.
wir schauen mittlerweile auf mehr als 5000 km zurück und sind etwa am scheitelpunkt angekommen, von hier aus gehts sozusagen für uns nur noch richtung osten, aber dazu später mehr. unser weg führte aus wisconsin richtung süden und dann immer weiter nur nach westen durch minnesota, iowa, quer durch nebraska, richtung denver in colcorado. vor einem monat wußte ich geografisch über die staaten zu meiner schande erschreckend wenig: ich wußte, das new york an der ost-küste liegt und das die rocky mountains von norden nach süden gehen.
ich wußte nicht, wieviele staaten es überhaupt gibt, ich hätte san franzisko unter los angeles vermutet, dachte, das dakota etwa bei kansas liegt, von vielen städten kannte ich zwar den namen, hatte aber keinen schimmer, wo sie sich befinden und von utah hab ich eigentlich noch nie was gehört. aus mangel an interesse. das so ein großer kontinent keine durchgehende uhrzeit hat, ist einem als fakt zwar irgendwie klar, aber gleich dreimal über die zeitgrenze zu purzeln, kann ganz schön überaschend sein: wiederholt standen wir vor geschlossen supermärkten.
große ketten sind hier sehr üblich für eigentlich fast alles, tankstellen, motels und die obligatorischen fast food & burger verbrecher, mit dem traurigen effekt, das viele städte völlig auswechselbar sind. dazwischen findet man aber etwas, das zu hause sehr, sehr selten ist: sehr, sehr viel platz. infolgedessen wird damit auch verschwenderisch umgegangen, die parkplätze sind so groß wie fußball-felder und die straßen so breit, das man nicht rüber zum nächsten geschäft laufen kann. man muß tatsächlich hinfahren, ich hab das für nen schlechten witz gehalten. wir sitzen fast immer in menschenleeren futter-filialen, in denen nur das klappern aus der küche die anwesenheit weiterer lebewesen verrät, weil man sich hier entweder das essen bringen läßt oder den drive thru nimmt. und wenn wir abends zurück zum motel laufen, sind wir die einzigen menschen auf diesen riesigen straßen.
folgende dinge kann man jedoch unzweifelhaft als zwischenbilanz feststellen: für die gleiche strecke hätte man in deutschland auf der autobahn entweder im zick zack oder lange im kreis fahren müssen. sprit und unterkunft hätten auf dieser entfernung etwa das vierfache verschlungen, da schlägt es wenig ins gewicht, das unser schlitten das doppelte verbraucht. an der kaffe-front sieht es freilich traurig aus, das navi hat auch schon 129 km zum nächsten starbucks angesagt - und wir sind auch freiwillig hingefahren. und wenn man in einem restaurant nach einem guten, lokalen bier fragt, fängt der kellner an sich zu entschuldigen, wenn er blöderweise vorher noch rausgekriegt hat, das wir aus deutschland sind. das ist ihnen richtig peinlich... zu recht!!!!
aber wenn man sich stetig bewegt, dann lernt man unglaubliches am wegesrand kennen, und man kann nur staunen, wie sich das land und die leute um einen herum verändern. der weg in und/oder durch den mittleren westen führt durch eine entsetzlich flache pfanne, man kann kilometerweit in die flur und über schnurgerade highways sehen. in wisconsin gibt es außer mais- und sojafeldern eigentlich nur noch die rinderzucht, die menschen leben beschaulich und ländlich.
es ist ruhig genug, das sich hier amish people angesiedelt haben, ich war überrascht, sie quasi zwischen "normalen" menschen zu finden, wo sie zwangsläufig mit den errungenschaften der modernen zivilisation in berührung kommen und den lebensstandard ihrer nachbarn ständig vor augen haben. ich hätte gedacht, das sie sich völlig abschotten. umgekehrt werden sie zwar geduldet, aber recht mißtrauisch und manchmal auch neidisch beäugt: da sie kein privatvermögen besitzen, verfügen die gemeinschaften im krassem gegensatz dazu über moderne, landwirtschaftliche produktionsstätten und gerätschaften, die jedem farmer die tränen in die augen treiben.
was minnesota defintiv von wisconsin unterscheidet, ist der eklatante mangel an sojabohnen und rindern. man kriegt fast platzangst angesicht der endlosen mais-felder. ich hatte recht romantische ideen von wogenden, goldenen kornfeldern und dem eiernden geräusch dieser windmühlen, die in den tornado-filmen immer neben der scheune stehen. von mais hatte ich keine ahnung, mir ist auch völlig schleierhaft, was man mit dem vielen mais anfängt, das kann ja schlecht alles popcorn werden, außer man bombardiert die felder großflächig, weil man den ganzen mais schlicht nicht mehr sehen kann. meine romantischen vorstellungen endeten jedenfalls in einer qualmenden bremsspur und wurden sogleich durch weiteren mais ersetzt.
bill tibbitts meinte von iowa "daown dere it's as flat asa pancake" - ich wünschte, er hätte kaugummi gekaut, es war gar nicht so. ich wüßte auch gerne, ob er nebraska mal gesehen hat und seine meinung dann vielleicht noch ändern täte, aber vielleicht nimmt man im mittleren westen nebraska auch nicht richtig ernst, weils mitten dazwischen ohne irgendwas drinne ist. dafür braucht man dort keinen wetterbericht, wir haben das gewitter auch schon stunden vorher gesehen UND das zweite dahinter, das erst nach weiteren vier stunden eingetroffen wäre. wir mußten zum glück abbiegen, richtung denver. unser nachtlager haben wir in grand island aufgeschlagen, weil wir an der hauptstadt lincoln schlicht vorbeigerauscht sind, groß kanns also nicht gewesen sein. in anbetracht der endlosen weiten unendlicher maisfelder lautete der aktuelle plan, erstmal möglichst viel strecke auf der interstate zu machen, damit wir es bis zum grand canyon schaffen.
ich hab mir die zeit damit vertrieben, durch die frontscheibe zu fotografieren, wann immer ich auf dem beifahrer-sitz landete, das hat wohl wenig mit der großen kunst zu tun, kommt aber meiner idee von road movie am nächsten. jedenfalls ist es ein authentisches stück reise und wird mich immer an diese unendlichen weiten erinnern, die aussehen, als hätte sie noch nie ein mensch betreten, abgesehen von dem einen, der den mais gesäht hat, soweit das auge reicht, nur mais, bis zum horizont und noch ein kleines stück weiter.
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