RAPID PROTOTYPING oder Das Internet der Dinge Teil III
![]() |
[foto: Rini Tinnef // stubensphinx] |
Hand aufs Herz! Die Zukunft ist ungewiß und preßt sich ganz allmählich durch das Nadelöhr der Gegenwart. Und mit Ungewißheit leben viele ungern, obwohl es eigentlich unvermeidlich ist. Pläne schmieden kann man an der Zahl, aber ob die sich auch in die Tat umsetzen lassen oder wieder was Unvorhergesehenes dazwischen kommt... naja. Morgen ist und bleibt ungewiß - in meinem speziellen Fall reichen nicht mal die Pläne bis morgen und die Ungewißheit betrifft eigentlich den ganzen Tag, die einzige Konstante ist, das morgends die Augen aufgehen (mal mehr, mal weniger) und abends gehen sie wieder zu.
Ganz anders die Reise in die Vergangenheit: Die beginnt, wenn man morgens im Dschungel der dreckigen Wäsche den Verbleib loser Barschaften ahndet, oder abhanden gekommene Freunde wiedertrifft, in alten Fotos und Erinnerungsstücken herumkramt, und sorgsam durchs Museum und fremde Länder mit historischen Orten streift. Das ist einfach sollte man meinen. Die Reise in die Vergangenheit um die Zukunft zu ändern hingegen ist eindeutig schwierig. Die beliebten Zeitreisen der SciFi, ein erschütternd spannendes Feld, das gleich beim ersten Nachdenken ohne Nachhall in sich zusammenbricht, da sich im Universum eigentlich alles ständig weiterbewegt dürfte es schon ausnehmend schwierig sein, die exakte Lage von sich verhältnismäßig zueinander bewegenden Dingen zu einem beliebigen Zeitpunkt in der Zukunft zu berechnen, wer könnte wagen, diese Berechnung vorzunehmen, wenn man zusätzlich noch zu einem beliebigen Zeitpunkt in der Vergangenheit etwas verändert hat, das die gegenwärtige Lage bestimmter Dinge beeinflußt?? Die endlose Schachtelei von Konjuntiven gerät vertrackt bis vergnüglich und die interessanten Verstrickungen der Zeitparoxa liefern reichlich Romanstoff, ganz besonders die Vorstellung, sich selbst zu begegnen. Im Ernst, das macht jeder frühs morgens vorm Spiegel und die Erfahrung ist vielleicht nicht immer schön, aber wir sind ja auch alle erwachsene Menschen und müssen halt drauf klarkommen. Ich jedenfalls hätt mehr Sorge, den falschen Reissack umzutreten.
Die Reise in die Zukunft ist definitiv kein Problem - wir sind gerade auf dem Weg. Jeden Tag jeder für sich unaufhaltsam immer voran mitten hinein ins Ungewisse. Nein das Problem ist eher die Geschwindigkeit. Die Reise geht ganz natürlich von statten, solange es eben dauert, bis sich die Zukunft in Gegenwart verwandelt hat. Noch weiter nach vorne, in ferne Jahrtausende, oder nach hinten (vielleicht ja auch im kreis? wer weiß), das geht doch eben nur in Geschichten und die werden auch niemals langweilig. Wir waren beim Internet der Dinge und der Maker-Bewegung, die gemeinsam das große Universum der Ideen und ungelegten Eier in den Supermarkt der unbegrenzten Möglichkeiten verwandeln. Und wir sind doch schon einen Fupps weiter. Mit Rapid Prototyping und 3D-Druck, am besten zu Hause auf dem eigenen Drucker, heißt es nicht mehr das Internet der Dinge sondern der Laden ohne Sachen. Onlineshops oder Tauschgemeinden mit einem breiten Angebot für 3D-Dateien zum Download, die nicht länger einen Datensatz darstellen, mit dem nur Spezialisten etwas anfangen können, sondern schlummernde Splitter der gegenständlichen Realistät sind. Unter dem Internet der Dinge verstehe ich nicht die veränderte Lage, wo und wie die Dinge weltweit hergestellt und verkauft werden - was sich natürlich alles mit dem Internet extrem geändert hat, ja. Unter dem Internet der Dinge verstehe ich vielmehr, das das was da im Internet so alles digital drinne ist, tatsächlich alle Dinge der gegenständlichen Gegenwart sind - oder sein könnten, so man sie ausdruckt. Im Internet der Dinge erwarte ich Abbilder und 3d-Daten zu sämtlichen Gegenständen aus Prototypenentwicklungen, Einzelstückanfertigungen und Kleinserien oder Baukastensystemen. Von mir aus auch Geschirrserien, wir waren ja schon bei der Kaffeetasse, nur bitte ohne Dekor. Die wollen natürlich angemessen bezahlt sein und dann lad ich sie runter, ich druck sie aus und die Bude ist voll mit allem was ich brauche. Es ist zum Greifen nah und kann so schwer nicht sein! Es geht doch schon fast: Ich mach meine Bestellung mit dem Telefon in der U-Bahn und zahle mit Kreditkarte beim Supermarkt, wenn ich abends um acht nach Hause komme, steht die Tüte mit dem Einkauf vor der Wohnungstür. Ich lade das Foto für meine neuen Leinwände hoch, irgendwo ich weiß nicht wo wirds ausgedruckt, es kommt mit der Post, ich hängs in meinen Flur. Bücherschrank abgeschafft - Es lebe der Reader (nur zu Weihnachten wünsche ich mir einen fett teuren Bildband zum blättern und schmökern, dann sollen die Bücher halt teuer sein!). Es regnet, das Telefon piept, weil das Fenster noch offen steht. Und bald also kaufe ich die Druckdatei für meine neue Kaffetasse im virtuellen Ikea und individualisiere noch schnell das Design und dann druck ich das Teil aus und stells in den Geschirrschrank. Wenns kaputt geht, druck ichs nochmal raus, diesmal kariert statt mit bunten Punkten. Yeah. Irgendwie nich der Knaller sondern Gegenwart, vielleicht nicht jedermanns Sache, aber für andere Alltag. Und je länger ich darüber nachdenke, desto mehr habe ich das Gefühl, wir stehen erst an der Schwelle, bevor die Sache richtig Tempo kriegt. Und wir kommen schon ganz fast an Gibsons Nanofax ran: Du hast Deinen Schlüssel vergessen? Warte, ich fax ihn Dir ins Büro und dann sehen wir uns nächste Woche....
![]() |
[foto: Rini Tinnef // stubensphinx] |
Kommentare
Kommentar veröffentlichen