Die stille Sehnsucht nach mehr Schnee

[foto: Rini Tinnef // stubensphinx]


Ach ich weiß auch nicht - irgendwie ist mir doof, wenn es nicht so richtig geschneit hat den Winter. Die letzte wahre Winterpracht ist doch schon eine Weile hin, 2010 bin ich zuletzt losgezogen, um Fotos zu machen wie diese. Ja sicher hat das immer alles zwei Seiten, man wartet und hofft und hofft und wartet, freut sich diebisch und fürchtet zugleich die Beschwerlichkeiten, von Dezember bis in den Februar oder so, kratzt morgens artig an den Scheiben rum und schimpft wie alle anderen auf die fiese Winterzeit, ärgert sich über gestorbene Batterien, kauft den Straßenfeger und andere Sozialprodukte gegen Kältetote unter Obdachlosen, beklagt die braune matschige Soße, die sich demokratisch in Hauseingänge, Nobelboutiquen und die U-Bahn-Schächte ergießt, wartet ungeduldig auf den Winterdienst und mäkelt gleich darauf an parkplatzblockierenden Schneebarrikaden und fliegendem Split herum und doch immer mit dem heimlichtuerischen Seitenblick auf die Wettervorhersage, ganz beschämt vom heimlichen Wunsch auf einen klitzkleinen bilderbuchreifen Schneefall.

Leise rieselt der Schnee, langsam, ganz langsam, deckt er die Erde zu. Er braucht da eine Weile für, während dessen preßt sich die Zukunft durch das Nadelöhr der Gegenwart. Wenn dann alles weiß ist, bleibt die Zeit einfach stehen. Zumindest kommt es einem immer wieder so vor und ungebrochen kommt der Zauber jedesmal aufs Neue zur Anwendung. Alles steht still, sauber und weiß, es geht nicht mehr vorwärts und in vielen Fällen auch nicht mehr rückwärts, also macht man langsam oder lässt es gleich ganz bleiben, das Auto stehen gelassen, die Bewerbchen auf das Nötigste beschränkt, eine kleine Schneeballschlacht hier, ein wiewunderwinterlicher Spaziergang auf frischer Schneedecke da und eine Rodelpartie im Park - auf einmal gibt es ganz dringliche Bedürfnisse auszuleben....

Herje, was ist das nur, das man so andächtig im Staunen versinkt, entzückt auf achso bekannten Wegen wandelt und sich doch in eine magische Welt versetzt wähnt, die heimliche Faszination und diese leise Sehnsucht - wegen diesem weißen Zeug?? aus Wasser??!! Da geht sie hin, die Verantwortung und aller Pragmatismus, wo man doch weiß, das Schnee und Glätte gefährliche Gegener im Straßenverkehr sind und winterliche Wetterverhältnisse vielfältige Opfer fordern, weggeputzt von der simplen Mission, einen gar beeindruckenden Schneemann in den Garten zu pflanzen, der alle möglichen Konkurrenzprodukte kommentarlos in den Schatten stellt. Fieberhaft wird da im Keller nach dem Schlitten gegraben, jeder Fensterladen mit leuchtendem Geraffel großzügig zugepflastert, mit der Schneeschaufel rumgefuhrwerkt und ganz im Allgemeinen ganz heimlich eigentlich ein bißchen genossen - denn erst wenns wieder richtig geschneit hat, ist das Jahr auch ordentlich rum.

Sonst reihen sich die kläglich schneearmen bis bedauerlich schneelosen Jahre als ein gestaltloser Brei aneinander, genervt erwartet man den Frühling, der dann scheinbar vor lauter Regen nicht aus dem Knick kommt, die hübschen Krokusse und frischen Narzissen wollen nicht so recht durch den ganzen Schlamm äugen, und als nächtes nervt der trübliche Sommer, dessen Glutherz auch sehr unmotiviert vor sich hinkokelt, im Angesicht des drohenden Atweibersommers wird dann noch ein last-minute-Ereignis Richtung Süden gebucht, das ganz klar katastrophal endet, weil alle die gleiche Idee hatten und wieder überall nur doofe Deutsche rumhängen, zurück aus dem Flieger erwartet einen schon die nächste klamme Dusche, da auch der gräuliche Herbst mit dichten Regenschleihern aufwartet, und die ununterbrochen feuchte Luft wird immer kälter, bis sie in so diesigen Schwaden hängt, das man nichtmalmehr einen Schatten wirft und fupps ist wieder Winter. Und wenn der nicht die Biege mit dem Schneien kriegt, dann wird das eben nix.

Die Hoffnung stirbt zuletzt - wir hatten Schnee, viel wars nicht, aber vielleicht reichts ja um den Teufelskreis zu unterbrechen :) Ich jedenfalls war im Schnee wandern und weiß davon zu berichten, um die bösen Geister auszutreiben - damit man sich auch wieder ordentlich auf den Sommer freuen kann!

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