der wahnsinn aus der wüste - TAG 1

die zukunft ist ungewiß und preßt sich ganz allmählich durch das nadelöhr der gegenwart. sie braucht da eine weile für, im fluß der zeit spannt sich nicht nur der verzeichnisbaum möglicher realitätsverläufe auf, daneben spinnt sich noch das feine netz virtueller räume und gamebasierender parallelwelten auf. das ist doch toll, wir begreifen nicht mal das echte universum, aber vermessen wie der mensch eben so ist, erfindet er schnell ein paar fantastische universen, da kann man dann nach herzenlust schlachten, solange das jeder mit seinem eigenen speicherstand ausmacht, kommt auch keiner ins gefängnis. vampire, werwölfe, kreaturen der nacht, königreiche, geflügelte pferde, zauberschwerter, mörder, diebe und ganoven, blendgranaten, panzer und scharfschützen-gewehre, laserschwerter, photonenkanonen und halbsymbiontische waffensysteme, DINGE, die die welt noch nicht gesehen hat, aus legenden, kriegssimulationen und krieg der sterne, aus allen löchern werden die leichen hervorgezerrt, virtuelles leben eingehaucht und stetig ins netz gespeist, das ist doch unglaublich. das ist doch irre. das ist echt cool.

das universum ist verdammt groß, ich dagegen bin winzig klein, das fühlt sich gut an, weil die chancen gut stehen, daß ich dadrinne mit meinem wahnsinn nicht weiter auffalle. auf mich trifft das auch zu, planet rini funktioniert ganz okeh nach meinen regeln, ich hab ja gar nicht verlangt, daß sich da jemand anders zurecht findet. über den seltsamen umstand, daß die menschheit die langeweile erfunden hat, habe ich mich bereits ausführlich gewundert. allerdings muß ich der ehrlichkeit halber mal anmerken, daß ich mit den folgeerscheinungen sehr einverstanden bin. nichts als langeweile hat das konzept spiel hervorgebracht. wenn man das in einen großen topf rührt, zusammen mit schier unglaublichen entwicklungbudegts, moderner home-entertainment-technologie, einem in 10 jahren aus dem nichts explodierten, milliardenschweren markt und wahren legionen völlig spielsüchtiger konsumenten, dann steht am ende zwangsläufig eine spielekonsole. ich hab zwar kaum zeit dafür (weil ich auch kaum langeweile habe), aber planet rini muß dann und wann kurz aufhören, sich zu drehen, weil ein neues spiel rausgekommen ist. das macht mich fertig. das hält man nicht aus, bis mans endlich durchgespielt hat. drei tage (und nächte) mit viereckigen augen und verkrampften daumen vor der playstation hocken, das find ich richtig cool.

die hannibal lector mentalitäten, die reine caligula-bösartigkeit, den nazi-größenwahn und all die tiefen abgründe der finsteren seele, das klammer ich mal kurz aus, virtuelle moral. ist. kompliziert. und nicht cool. richtig cool ist gameoptimierte akrobatik, virtuelle fitness, das datengestützte, völlige fehlen lästiger menschlicher bedürfnisse, taschen, die so gigabytegroß sind, das sich der inhalt ganzer waffenkammern darin verstauen läßt, die spielinterne sonderphysik, die absolut absurde fortbewegungen möglich macht, und ein dauersoundtrack, wo man nie den akku aufladen muß. der wahnsinn aus der wüste, das ist der prinz aus persien. sein leben möchte ich nicht haben, was für eine gnadenlose sklavenarbeit, was für eine menschenunwürdige schinderei, sich in millionen spielsträngen gleichzeitig von erbarmungslosen gamern durch irrwitzige schlachten und wirre kletterpartien hetzen zu lassen. aber drei tage in seinen schuhen zu laufen, das macht eben doch spaß. im gegensatz zu mir ist der herr prinz von persien glücklicherweise völlig schwindelfrei. ich würd als erstes von diesem planetarium herunterwürgen. beim geringsten anzeichen von sandzombie würde ich fersengeld geben und mein schwert, das in bester tradition so riesig ist, daß es wohl einen wagenheber bräuchte, es zu heben, allenfalls einsetzen, um das tor zu verbarrikadieren. ich müßte auch hin und wieder mal schlafen, bei soviel bewegung vier warme mahlzeiten am tag verdrücken und immer im unpassenden augenblick pullern. das mit dem essen schaffe ich und ich hätt auch nen wagenheber, aber das wars dann auch.

jeder hat wohl seinen prinzen, das spiel, das einen kurz aus dem alltag haut, und da muß auch der zauber begraben sein, drei tage lang dinge zu können, die so astronomisch fern vom echten leben sind, das man sich auf keinen fall strafbar machen kann - weil geht ja gar nicht.
die große kunst liegt aber im kurz. gefährlich sind die dinge, die den alltag dauerhaft aushebeln, kurioserweise sind die wiederrum auch nicht strafbar, sondern fallen in jedermanns eigene selbstdisziplin. gruselig. naja, mal sehen, das war der erste tag...

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