firenze fieber - TEIL 1

die zukunft ist ungewiß und preßt sich ganz allmählich durch den lauf der geschichte. sie braucht da eine weile für und produziert am laufenden festmeter langweilige geschichtsdaten, die man in der schule auswendig lernen muß. manche entdeckt man nochmal neu, wenn sich ein berührungspunkt ergibt, der nicht stundenplan heißt.

eine fallstudie: ezio auditore di firenze.

wir erinnern uns: es hat ihn vielleicht wirklich gegeben, irgendwann im 15.jahrhundert, historisch völlig belanglos, die vita auf den ersten blick grundsolide, mittlerer von drei söhnen eines florentinischen bankiers, mitten im sturm und drang der flegeljahre und zeitgemäß den zwängen von stand und gesellschaft ergeben.

im spiel: eine fantastische kunst-figur mit einem ambivalenten hintergrund, der plot zeichnet eine zweite, abseitige natur, die entwicklung zum assassinen, der einem höheren ziel dient und dem moralischen kodex eines geheimen bundes verhaftet ist, so alt wie die geschichte des abendlandes - oder älter. der legitime erbe altairs: das spiel wird zum historischen hintergrund eines spiels, eine geschichte, aufgespannt als verborgene facette des tatsächlichen geschichtslaufes, die figur eine person, die real existiert hat, bekommt ein alternatives leben angedichtet, die verortung an realen schauplätzen, mit städten und gebäuden, die es heute noch gibt, an den richtigen stellen, ereignisse und perönlichkeiten, die es wirklich gab, neu zusammengesetzt, ein genußvoller, detailreicher, im echten schwelgender cocktail, dem man sich kaum entziehen kann, gerade so echt, das es fast plausibel klingt, gerade so fantastisch, das es hinreißend interessant ist.

ein rückblick: altair

wir erinnern uns: assassins creed eins und sein held altair, das spielt zur zeit der kreuzzüge, die assassinen gab es wirklich - irgendwie. es war die zeit der templer, die arme ritterschaft christi vom salomonischen tempel, gegründet um 1119 als eliteorden von hugo von payns, knappe 200 jahre später zerschlagen durch könig philipp IV. von frankreich. sie trugen tatsächlich den weißen mantel mit dem roten, achteckigen tatzenkreuz, dessen gleichlange seiten jeweils zu zwei spitzen auslaufen. es gab noch eine reihe anderer ritterorden, die johanniter trugen ein weißes kreuz auf schwarzem mantel, der orden des heiligen lazarus blieb den aussätzigen rittern vorbehalten, die mitglieder wiesen sich durch ein grünes kreuz auf weißem mantel aus, und der deutschherren-orden mit seinem schwarzen kreuz auf weißem mantel. aber die tempelritter brachten es zu trauriger berühmtheit, wohl auch weil sie den geldwechsel erfanden, der es leuten ermöglichte, an einem punkt beim orden einzuzahlen, bargeldlos und ohne gefahren zu reisen und sich an einem anderen ort wieder auszahlen zu lassen. eine teure dienstleistung, die den orden reich machte.
und es gab den alten vom berg, hassan as-sabah, im ausgehenden 11. jahrhundert. er war oberhaupt und gründer einer politisch-religiösen sekte, die sich irgendwann von den ismaelischen schiiten abgesplittet hat. die hauptfestung alamut befand sich im elbrus-gebirge des heutigen iran, es war die stadt der glückseligkeit, die wohnstätte des glücks unter dem rat des adlers. die kennen wir schon aus dem aktuellen sequel zum prinzen von persien. mit dem alten vom berg wurde gelegentlich aber auch jemand anderes bezeichnet, in der 2.hälfte des 12.jhds: raschid ed-din sinan, der nicht in alamut residierte, er führte den syrischen zweig der assassinen an, die in zerstreuten dörfern und festungen in zentral syrien lebten, auf dem weg der gen jerusalem ziehenden kreuzritter. nach ewigen scharmützeln schlossen sie einen wackeligen friedensvertrag mit den templern - und blieben tributpflichtig. um die zahlungen loszuwerden, strebten sie die massentaufe an, ein politischer schachzug, da die ismaeliten sowieso keine rein religiöse gemeinschaft mehr waren. der könig almarich II stimmte dem zu, doch die templer wollten die zahlungen nicht missen und ermordeten den boten. um die guten beziehungen zum alten vom berg wiederherzustellen, tötete der könig die templer, dafür erledigten die assassinen angeblich gewisse aufträge für den könig.
für die bezeichnung assasine gibt es mehrere herkunftsansätze. im arrabischen existiert das wort assas für wächter, gerüchteweise sollen wachposten haschisch als wachmacher genommen haben, um die langen schichten durchzuhalten. haschischi als schimpfwort bezeichnet eine spinner oder wirrkopf. die franken mit ihrem mäßigen talent zu akzentuierter und klarer aussprache verarbeiteten das zu assassine.
und es gab die berühmte anekdote um den berüchtigten kadavergehorsam. bei einem treffen befahl der alte zwei männern den sprung in den tod, und angeblich sprangen sie wirklich, um die blinde gefolgstreue und entschlossenheit der assassinen wirksam zu demonstrieren. es entstand der mythos um die geheimgesellschaft der assassinen, gedungene mörder, allesamt auf der jagd nach tempelrittern.

im spiel: die geschichte spielt an den brennpunkten der damaligen zeit: jerusalem als geistiges und religiöses zentrum, damaskus als wirtschafts- und handelszentrum, im hafen von akkon legten die schiffe mit waren und nicht abreißenden heerscharen blutrünstiger kreuzritter an. großkalibrige zielpersonen rekrutieren sich im umfeld der großen ritterorden und ihren helfern vor ort, tempelritter umzulegen, die man am wegesrand aufstöbert, bringt immer extra-punkte und reichlich taler in der tasche. der todessprung endet zwar immer gut gepolstert im heuwägelchen, aber er eröffnet altair wege und möglichkeiten, die sonst keiner hat, der nicht den sprung der assassinen wagt. das alles ist historisch wertvoller kleister, der die geschichte zusammenhält und auf eine diffuse art glaubhaft macht, gerade soweit, das man als spieler sagt, so hätte es sein können. und trotzdem scheint ein spiel, das zumindest in kleinen splitterstücken realität und historie vermittelt, wertvoller und ein bißchen spannender zu sein als völlige fantasie-konstrukte. die neue generation der lehrreichen spiele verarbeitet wissen immer oberflächlicher und spielerischer, vielleicht aber auch ein bißchen eingängiger weil so schön nebenbei, integriert dazu die philosophie der sandkasten-spiele, die dem spieler den eindruck vermitteln, er könne seinen ganz weg selbst bestimmen: man entscheidet die reihenfolge der missionen nach eigenen prioritäten und legt frei nach tagesstimmung fest, ob man sich dabei scheinbar gut oder böse verhält. die illusion der selbstbestimmung wird immer ein kleines bißchen perfekter. es scheint ja auch zu funktionieren, die tempelritter haben mich früher wenig gekratzt, im zuge des spiels habe ich dann doch wieder die bücher gewälzt und wollte wissen, was da eigentlich dran ist. wenig, aber ich habs seit dem nicht mehr vergessen. an diesem punkt ist es nicht mehr so wichtig, ob die optik und bewegung wirklich 100% echt erscheint, das gefühl scheint echter zu sein und das alleine zählt.

wir erinnern uns: auch in matrix ging es um die illusion der entscheidung, um den trugschluß einer rebellion, die scheinbare eigenwilligkeit macht den menschen glücklich. auf so einfache entscheidungen reduziert ist diese botschaft in vielen geschichten viel klarer und greifbarer als in der wirklichkeit. an diesem punkt holen wir die realität also lange schon ein.

da kann man sich doch mal ganz spielerisch gedanken machen, wie man die wirklichkeit gestalten kann, die doch soweit von entscheidungsfreiheit entfernt ist....

[foto: Rini Tinnef // stubensphinx]

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