Mein treues Gefährt
Die Zukunft ist ungewiß und preßt sich ganz allmählich durch das Nadelöhr der Gegenwart. Sie braucht da eine Weile für, während jeder an seinem persönlichen Projekt bastelt, manche machen Kinder, manche machen Karriere und hin und wieder bastelt man an seinem Auto.
Mit Gefährten ist das so eine Sache. Man liebt sie, man hegt sie, man pflegt sie, sie werden erst älter, dann richtig alt, dann pflegt man sie nicht mehr, innen drinne eine einzige Müllkippe, auf dem Amaturenbrett dekadendicke Staubschichten, der Ascher quillt über und erobert den Fußraum, der Teppich unsichtbar unter einer durchgängigen Sedimentschicht leerer Kaffeebecher, Kippenschachteln, Kaugummipapierchen, abgelaufener Parkzettel und verknüllter Adressennotizen in unleserlichem Steno, außen dran der Dreck einer Großstadt, großflächig verteilt, eine dauerhafte Verbindung mit dem zerkratzten Lack eingegangen, aber wie scheiße es auch immer aussehen mag, man liebt sie nur noch mehr, fühlt sich wohl im eigenen Dreck, der so vertraut und anhänglich ist. Irgendwann in diesem schwierigen gestalterischen Prozeß entscheidet sich, wie weit man mit seinem Auto geht. Dieser Punkt läßt sich sicher eingrenzen: hat der stolze Wagen erst mal einen Namen, geht man den langen Weg bis zum Ende, bis man ihn nicht mehr verkaufen kann, bis man ihn auch nicht mehr ausschlachten, sondern nur noch einpressen kann.
Und was es da für lebenserhaltende Maßnahmen gab. Durch den Dunstkreis meiner WG und der darin befindlichen Schrauberhände - viere an der Zahl, eine rechte und drei linke - sind schon viele Wägen gegangen, und da waren beeindruckende Kreaturen dabei, Fahrzeuge, die in der Familie weitergereicht, bei jedem Besitzerwechsel um ein paar Dellen reicher und einige Gramm Lack ärmer wurden, pro Kalenderjahr ein paar Umbauten dazugewannen bis der Kfz-Schein Falkplan-Größe erreicht, herausgeflexte Rückbänke, da muß mehr Platz für Lautsprecher hin, dann kann man 4 laufende Meter von der Kofferraumklappe bis vorne ins Handschuhfach durchschieben, selbst unzerlegte Kleiderständer, einfach hinten reichschmeißen, das paßt, mit undichten Schweißpunkten an der B-Säule, jahrelang lief das Wasser rein, gerade soviel, das die komplette Karre vergammelt, gerade so wenig, das man die undichte Stelle nicht findet, bis der Teppich so verschimmelt war, das er nachts auf irgendeinem Rastplatz samt vollgesaugter Dämmschutzmatten einfach im hohen Bogen rausflog, dann mit neuem altem Teppich vom Schrotter nach einem weiteren Wutanfall, weil man vor lauter Fahrgeräuschen sein eigenes Wort nicht mehr verstehen konnte, dann mattschwarze Hammerit- Rostschutz-Lackierung mit der Rolle, weil der Berliner Alltag vom Klarlack kaum was übrig gelassen hat, danach war die Oberfläche dermaßen mattschwarz, das es schon als Schleifpapier durchging, und neben sämtlichem Dreck auch Kleintiere, Sperrmüll und Passanten dran haften blieben, endlose Tieferlegungen in Verbindung mit dezenten Heckerhöhungen, diese schwierige Balance zwischen Karosserieversteifung und Schweißsanierung, das endlose Vergaser-Gefummel im Mikro-Bereich und gleich danach grobschlächtiges Hämmern an widerspenstigen Auspuffbefestigungen und überflüssigen Partickelfiltern, abgerissenen Schrauben, ruinierte Ventile, abgefressenen Schläuche, Kabelbrüche, Kurzschlüsse, abgebrochene Plastikhalterungen und klappernder Müll hinter losen Türpappen, es ist das Elend einer Autobauer-Nation, wir kennen es bis zum bitteren Ende, und noch bis über den Motortod hinaus und bis man es nicht mehr ertragen kann und kein Duftbäumchen der Welt noch länger Trost spenden kann.
Und was da für stolze Titel vergeben wurden. Der schwatte Deebel, der stolze Eimer, der ranzige Rächer und der Klaufix.Wenn man das alles so recht flott aneinander reiht, klingt es nach herzlosem Runterrocken und Breitbasteln, aber irgendwie darf man nicht vergessen, das diese Aneinanderreihung selbst nur durch größtmögliche Autoliebe entstehen kann. Man darf dabei all die liebevollen Beschraubungen und geduldigen Reparaturversuche in ewigen Wiederholungen nicht vergessen, wenn auch unter ständigem Fluchen, die endlosen Listen listig organisierter Ersatzteile, die aus aller Herrenländer herangezerrten und bei Ebay mühsam erbeuteten Extras, die ungezählten Arbeitsstunden, ach was, bitteren Nachtschichten, und die enormen Mengen zäh verdienter Kohle, die da regelmäßig versenkt wurden. Und man darf nicht vergessen, wieviel kriminelles Element es braucht, ein Auto am Leben zu erhalten, das nur noch durch Schrauben am illegalen Limit und gegen den Willen des TÜV weiterrollt. Oder poltert. Oder hinkt und stinkt.
Im gesichtslosen Glanz all der ungezählten Neuwagen, die im Dienste einer großen Autovermietung durch unsere Hände gingen, alle die teuren Spitzenmodelle, die man da gefahren ist und in die Obhut völlig fahrschulresistenter Mietwagenkunden reichte, da gewinnt das eigenen Auto mit alle seinen Buckeln, Dellen und Macken eine ganz unglaublich hohe Anziehungskraft, da schlüpft es sich rein wie in ein paar sehr alte, sehr sehr bequeme Schuhe, und da bleibt einem von den vielen Luxusautos kaum eins lange in Erinnerung.
Mit Gefährten ist das so eine Sache. Man liebt sie, man hegt sie, man pflegt sie, sie werden erst älter, dann richtig alt, dann pflegt man sie nicht mehr, innen drinne eine einzige Müllkippe, auf dem Amaturenbrett dekadendicke Staubschichten, der Ascher quillt über und erobert den Fußraum, der Teppich unsichtbar unter einer durchgängigen Sedimentschicht leerer Kaffeebecher, Kippenschachteln, Kaugummipapierchen, abgelaufener Parkzettel und verknüllter Adressennotizen in unleserlichem Steno, außen dran der Dreck einer Großstadt, großflächig verteilt, eine dauerhafte Verbindung mit dem zerkratzten Lack eingegangen, aber wie scheiße es auch immer aussehen mag, man liebt sie nur noch mehr, fühlt sich wohl im eigenen Dreck, der so vertraut und anhänglich ist. Irgendwann in diesem schwierigen gestalterischen Prozeß entscheidet sich, wie weit man mit seinem Auto geht. Dieser Punkt läßt sich sicher eingrenzen: hat der stolze Wagen erst mal einen Namen, geht man den langen Weg bis zum Ende, bis man ihn nicht mehr verkaufen kann, bis man ihn auch nicht mehr ausschlachten, sondern nur noch einpressen kann.
Und was es da für lebenserhaltende Maßnahmen gab. Durch den Dunstkreis meiner WG und der darin befindlichen Schrauberhände - viere an der Zahl, eine rechte und drei linke - sind schon viele Wägen gegangen, und da waren beeindruckende Kreaturen dabei, Fahrzeuge, die in der Familie weitergereicht, bei jedem Besitzerwechsel um ein paar Dellen reicher und einige Gramm Lack ärmer wurden, pro Kalenderjahr ein paar Umbauten dazugewannen bis der Kfz-Schein Falkplan-Größe erreicht, herausgeflexte Rückbänke, da muß mehr Platz für Lautsprecher hin, dann kann man 4 laufende Meter von der Kofferraumklappe bis vorne ins Handschuhfach durchschieben, selbst unzerlegte Kleiderständer, einfach hinten reichschmeißen, das paßt, mit undichten Schweißpunkten an der B-Säule, jahrelang lief das Wasser rein, gerade soviel, das die komplette Karre vergammelt, gerade so wenig, das man die undichte Stelle nicht findet, bis der Teppich so verschimmelt war, das er nachts auf irgendeinem Rastplatz samt vollgesaugter Dämmschutzmatten einfach im hohen Bogen rausflog, dann mit neuem altem Teppich vom Schrotter nach einem weiteren Wutanfall, weil man vor lauter Fahrgeräuschen sein eigenes Wort nicht mehr verstehen konnte, dann mattschwarze Hammerit- Rostschutz-Lackierung mit der Rolle, weil der Berliner Alltag vom Klarlack kaum was übrig gelassen hat, danach war die Oberfläche dermaßen mattschwarz, das es schon als Schleifpapier durchging, und neben sämtlichem Dreck auch Kleintiere, Sperrmüll und Passanten dran haften blieben, endlose Tieferlegungen in Verbindung mit dezenten Heckerhöhungen, diese schwierige Balance zwischen Karosserieversteifung und Schweißsanierung, das endlose Vergaser-Gefummel im Mikro-Bereich und gleich danach grobschlächtiges Hämmern an widerspenstigen Auspuffbefestigungen und überflüssigen Partickelfiltern, abgerissenen Schrauben, ruinierte Ventile, abgefressenen Schläuche, Kabelbrüche, Kurzschlüsse, abgebrochene Plastikhalterungen und klappernder Müll hinter losen Türpappen, es ist das Elend einer Autobauer-Nation, wir kennen es bis zum bitteren Ende, und noch bis über den Motortod hinaus und bis man es nicht mehr ertragen kann und kein Duftbäumchen der Welt noch länger Trost spenden kann.
Und was da für stolze Titel vergeben wurden. Der schwatte Deebel, der stolze Eimer, der ranzige Rächer und der Klaufix.Wenn man das alles so recht flott aneinander reiht, klingt es nach herzlosem Runterrocken und Breitbasteln, aber irgendwie darf man nicht vergessen, das diese Aneinanderreihung selbst nur durch größtmögliche Autoliebe entstehen kann. Man darf dabei all die liebevollen Beschraubungen und geduldigen Reparaturversuche in ewigen Wiederholungen nicht vergessen, wenn auch unter ständigem Fluchen, die endlosen Listen listig organisierter Ersatzteile, die aus aller Herrenländer herangezerrten und bei Ebay mühsam erbeuteten Extras, die ungezählten Arbeitsstunden, ach was, bitteren Nachtschichten, und die enormen Mengen zäh verdienter Kohle, die da regelmäßig versenkt wurden. Und man darf nicht vergessen, wieviel kriminelles Element es braucht, ein Auto am Leben zu erhalten, das nur noch durch Schrauben am illegalen Limit und gegen den Willen des TÜV weiterrollt. Oder poltert. Oder hinkt und stinkt.
Im gesichtslosen Glanz all der ungezählten Neuwagen, die im Dienste einer großen Autovermietung durch unsere Hände gingen, alle die teuren Spitzenmodelle, die man da gefahren ist und in die Obhut völlig fahrschulresistenter Mietwagenkunden reichte, da gewinnt das eigenen Auto mit alle seinen Buckeln, Dellen und Macken eine ganz unglaublich hohe Anziehungskraft, da schlüpft es sich rein wie in ein paar sehr alte, sehr sehr bequeme Schuhe, und da bleibt einem von den vielen Luxusautos kaum eins lange in Erinnerung.
[foto: Rini Tinnef // stubensphinx]
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