Gedanken zu Schwarz

Das Leben ist ungewiß, aber es kann dauern und falls nicht, bleibt zum Trost das man schneller am Ziel ankommt. Jeder muß irgendwann seinen Tod sterben und hat dann erstmal ausgesorgt. Der Rest muß das Leben aufsitzen und alle die noch nicht mitm sterben dran waren, müssen außerdem zur Beerdigung aufkreuzen und was Schwarzes anziehen. Einziger Trost ist das auch mehr Zeit bleibt, das kleine Schwarze anzuziehen.

Gestern Abend saßen wir ganz samstäglich am Küchentisch herum und flößten uns zu alten Geschichten mit famosem Unterhaltungswert ganz fürchterlichen Schwarzgebrannten mit unsäglichem Geschmack aber famoser Wirkung und so vielsagenden Namen wie "Holterdipolter" und "Dorf-Würger" in moderaten Mengen ein - was leider mehr als genug war, Prozentangaben für diese virtuosen Sorten sind recht grobe Schätzwerte und deutlich zu niedrig. Was für ein bescheuerter Name auch für Klargebrannten. In Amerika heißt es Moonshine, das ist doch deutlich poetischer. Aber gut - Schwarzmarkt, Schwarzarbeit, Schwarzmalerei, Schwarzmagier, anschwärzen, schwarzer Peter, das läßt ein Muster erkennen. Aber es heißt auch schwarze Zahlen und ins Schwarze treffen, frei danach wie es gerade paßt. Dafür das Schwarz im Sprachgebrauch so schlecht belegt ist, hat modernes Design mit dem Schwarzgebrauch ganz guten Erfolg. Klar, man nimmt auch Silber und Grau - aber mit Schwarz macht man nix verkehrt. Wieso eigentlich? 
Schwarz geht immer. Sollte man meinen.

Schwarz paßt zu allem. Da wäre ich mir auch nicht so sicher.
Schwarz ist zeitlos. Naja, gerade bei Klamotten würde ich sagen, macht Schwarz mit steigendem Alter nur noch älter.
Schwarz ist neutral. Das' ja wohl ma echter Quatsch jetzt.
Das kleine Schwarze und das ganz große schwarze Desaster.
Schwarz ist was für die die die nix falsch machen wollen.
Die Antwort auf die große Unsicherheit morgens beim fragenden Zweigespräch mit dem Kleiderschrank.

Na schönen Dank auch.
Also wird munter entworfen - und wenn man mit dem Farbkonzept und dem Zielpublikum auf keinen grünen Nenner kommt, dann tuts auch Schwarz. Und irgendwie überholen sich auch all die bunten Dinge, man sieht sich gerne satt an satten Farben. Am Ende überleben die unbunten Sachen oder sie werden sooft gewaschen bis die ganze verdammte Farbe endlich raus ist. Als ich noch studiert habe, war mir das ein völliges Rätsel, wieso das gesamte Kollegium einer gestalterischen Hochschule schwarzgewandet wie die Krähen auf einer Beerdigung durch die Gegend rennen kann. Von einem Gestalter kann man doch erwarten, das er das mit der Farbe irgendwie hinkriegt und wenn nicht, dann will man doch an einem Gestalter wenigstens alle Farben dieser Erde sehen, die nicht zusammenpassen, damit auf Nachfrage die Erleuchtung kommt, ach ein Gestalter, naja dann...

Meiner Eltern, die hielten mir ewig vor, was anderes als Schwarz würde ja keinen Weg in meinen Kleiderschrank finden - das hat mich jahrelang verwirrt, denn in eben diesem Kleiderschrank tummelten sich die unmöglichsten quitschbunten Dinge, die ich morgens in Vollendung so ausgewählt habe, das möglichst nicht ein Teil zum anderen paßte, Hauptsache möglichst viele (bunte) Dinge übereinander. Vielleicht hat die elterliche Wahrnehmung an dieser Stelle schlicht und ergreifend einen Knick. Das Kind ist völlig verrückt und macht was es will... und immer diese schwarzen Klamotten?!! Irgendwann habe ich dann aufgegeben, apropos selbstbewahrheitende Prophezeiungen, und nur noch schwarze Dinge in meinen Schrank addiert. War etwas niederschmetternd, das sich niemand gewundert hat. Als hätte ich jahrelang in einer Parallelwelt gelebt und dann endlich in meine vorherbestimmt Schwarzträger-Rolle gefügt. Komplett verrückt. Wenn ich alt bin, möchte ich bitte nur noch Leberwurst-Farben mit neonfarbigen Strickpullovern und pastelligen Turnschuhen tragen.

Naja, ich kenne auch Leute, die sagen, sie tragen so lange Schwarz bis es endlich was Dunkleres gibt - und die sind weit entfernt vom Gruftietum. Obwohl das sagt man ja nicht mehr, das heißt ja jetzt irgendwie anders. Die Allmachtfarbe Schwarz, die eigentlich gar keine ist, will trotzdem nicht als Mode abdanken und neuerdings macht es mir richtig Spaß schwarze Klamotten zu kaufen, weil ich gerade so eine Phase habe wo mir das ganze bunte Zeug ganz fürchterlich auf den Geist geht und ich mir jeden Morgen denke, Mensch, in diesem Kleiderschrank paßt aber auch Nix zusammen. Was soll man dazu schon noch sagen?

Verdammt.




[foto: Rini Tinnef // stubensphinx]

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