I LOVE BOOTS

Die Zukunft ist ungewiß und preßt sich ganz allmählich durch das Nadelöhr der Gegenwart. Sie braucht da eine Weile für, aber das Universum ist voller spannender Eigenheiten, und dem Menschen alleine ist es gelungen, dabei die Langeweile zu erfinden. Die bekämpft ein jeder für sich, oder auch nicht, das tägliche Spiel entscheidet über Erfolg und Niederlage. Wer keine Langeweile hat, dem verfliegt die Zeit, das ist dann auch wieder nicht gut. Aber neben all den ungezählten Hobbies, Zerstreuungen und Nebenbeschäftigungen gibt es etwas, das ich ganz besonders interessant finde:

Ich liebe Sammler. Da gibt es Leute, die die unglaublichsten Dinge sammlen, und wenn es auch nur Erinnerungen und Erfahrungen sind, freisprechen kann sich davon eigentlich niemand. Manchen Menschen sammlen nicht, sie behaupten einfach, sie verwahren etwas. Wofür, spielt erst mal keine Rolle. Meine Großeltern waren zum Beispiel von der Sorte. Abgesehen davon, daß sie kriegsbedingt kein Essen wegwerfen konnten und noch die kleinsten Reste in Töpfen und Tiegeln im Kühlschrank verwahrten, wurden auch Joghurtbecher, Marmeladengläschen und fast unbeschädigte Briefkuvers, Zeitungen, Plastik- Partybesteck, aus der Wand gezogene Nägel, alte Zahnbürsten (zum Schuhe putzen, keine Sorge!) und kaputtgegangene Haushaltsgeräte als Ersatzteilspender aufgehoben, so wie all die vielen kleine tausend Dinge des täglichen Lebens, die anfallen, wenn die Tätigkeit des Wegwerfens außerhalb des Ereignishorizont liegt. Sie fanden ihren Platz im Haushalt, die gespülten Joghurtbecher (paßt eine gekochte Kartoffel rein) kamen in den Küchenschrank zwischen die Sammeltassen mit echtem Goldrand. Es war manchmal etwas seltsam, aber irgendwie auch ganz süß, all diese zufällig aufbewahrten, eigentlich wertlosen Dinge zusammen mit diesen uralten gepflegten und gehegten Dingen. Heute denke ich gerne daran. Und sie habens richtig gemacht, nach Dekaden des Wegschmeißens ist der Planet endlich vollgemüllt und es gibt die ersten Ideen (!!!), Dinge aufzuheben und weiterzunutzen, um das Wegschmeißen möglichst zu vermeiden, aber das muß alles mühsam von einer gesamten Gesellschaft neu erlent werden. Allein, im Ansatz scheint es auch ein bißchen erblich zu sein, bei mir liegt auch alles mögliche rum, meistens, weil ichs schön find und immer denke, daraus kann ich mal was basteln, wenn mich mal wieder meine dunkle Seite überkommt (die Bastelsuse).

Manchmal grenzt die Sammelleidenschaft an Obsession, dicht gefolgt von Sucht. Mir wurde neulich (gestern um genau zu sein), mal wieder Schuh-Sucht nachgesagt. Das muß ich entschieden von mir weisen. Nur weil es ziemlich viele Schuhe in allen verfügbaren Stauräumen gibt und ich nicht genau weiß, wieviele das sind, und wo zum Teufel die alle genau sind, bin ich noch lange nicht süchtig. Ganz im Gegenteil glaube ich, das ein leidenschaftlicher Sammler sehr genau wüßte, wo alle seine Schuhe sind. Ich lebe eher so auf einem Haufen an Resten, eine krude Mischung aus uralten Botten, von denen ich mich nicht trennen kann, Latschen, die nie bequem genug waren, um sie richtig zu tragen, und irgendwelchen durchgeknallten Designtretern von Modenschauen und Foto- Shoots, auf denen kein Mensch laufen kann, die aber megageil aussehen. Es soll vorgekommen sein, daß ich nach dem Verlust meiner Winterboots (zu einem wettermäßig echt ungünstiger Zeitpunkt) Ersatz beschaffen wollte und nix gefunden habe. Es könnte sein, das ich statt dessen mit Sandalen nach Hause kam, weil man nicht ohne Schuhe aus einem Schuhladen gehen kann. Und dann trotzdem noch Winterboots kaufen mußte, weil von den Sandalen allein wird ja das Wetter nicht besser, und ich hatte schon schlechtere Gründe, neue Boots zu kaufen, ich hatte schon viel schlechtere. Ok, ich hatte schon viele. Boots und Gründe.

Fürs sammeln fehlt mir bestimmt nicht die Geduld, sehr wohl aber die nötige Verbissenheit. Ich zähle mich eher zu den Konsumenten, die an den einzelnen Dingen schnell das Interesse verlieren, weil das gesamte Angebot so unmäßig interessant ist. Das restliche ganze Zeugs wird immermal aussortiert, oft genug weggeschenkt oder alternativen Verwendungen zugeführt, manche verwahrungswürdige Dinge eignen sich hervorragend für Tauschgeschäfte und sind als harte Währung einzustufen, man hats oder man hats nicht, Hauptsache man bleibt im Geschäft. Vieles kann man auch gewinnbringend Verleihen, nichts ist wertvoller als ein geschuldeter Gefallen. 

Toll finde ich Leute, die Himmel und Erde in Bewegung setzen, um ein fehlendes Stück in einer Sammlung zu ergattern, oder ein besonderes Kleinod einzusacken. Sowas konnte man früher bei e-bay oft sehen, mittlerweile findet man unter all den Power-Sellern kaum noch Goldstaub. Eigentlich schauhe ich da selten rein, es sei denn, ich brauche dringend was, aber man kann dort nur noch suchen, nicht mehr finden. Außer Schuhe, da findet man echt unglaubliche Sachen.

Um ehrlich zu sein - der Grat ist schmal und es läßt sich drüber streiten. Von manchen Dingen hat man soviele, das es eigentlich schon lange fürs Sammeln reicht, aber weil es auch soviel davon gibt, wächst die Sammlung von alleine ohne das man an dem Punkt ist, bestimmte Exemplare aufzutreiben und hinzuzufügen, um etwas zu vervollständigen, es wird von alleine mehr. Zum Beispiel Bücher. Oder Schuhe.
Cheers!


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